Blog

30. Januar: MARY WARD – UND DIE MENSCHEN AM RANDE

Featured Image

Am 30. Januar 1645 starb Mary Ward friedlich. Damals war die Bestattung von Katholiken in England schwierig. Marys Gefährtinnen fanden „einen kleinen Kirchhof, wo der Pfarrer anständig genug war, sich bestechen zu lassen.“ Dieser Pfarrer war ein anglikanischer Pfarrer im Dorf Osbaldwick bei Heworth. Auf ihrem Grabstein können wir folgende Inschrift lesen:

„Die Armen zu lieben, darin zu beharren, mit ihnen zu leben, sterben und aufzuerstehen war das ganze Ziel von Mary Ward, die, nachdem sie 60 Jahre und 8 Tage gelebt hatte, am 20. Januar 1645 starb.“

Indem sie das von Jesus angebotene Modell wählte, lebte Mary Ward eine Beziehung zur Welt, die nicht auf Herrschaft, sondern auf Würde und Gleichheit basiert. Sie entschied sich dafür, auf Gottes heiligen Willen mit dem Feuer der Liebe zu antworten. „Die Armen zu lieben, … mit ihnen zu leben, sterben und aufzuerstehen war das ganze Ziel von Mary Ward“. Im Hebräischen bedeutet das Wort ‚Avodah‘ Ruf, Berufung und Dienst. ‚Avodah‘ ist aber auch das Wort für Gebet!

Mary Ward, kontemplativ in der Aktion, lebt ihre ‚avodah‘ mit denen, die sozial ausgegrenzt, sozial verachtet waren, insbesondere den Frauen. Denen war die Bildung, die den Männern zur Verfügung stand, verwehrt. Marys ‚avodah‘ brachte sie dazu, den entscheidenden Unterschied zu machen, indem sie eine „Liebhaberin der Wahrheit“ und „Täterin der Gerechtigkeit“ war, die Verbundenheit und Solidarität mit den Verachteten ihrer Zeit (er)lebte.

In einer hierarchisch strukturierten Gesellschaft lebend, hörte Mary Ward den Ruf, sich in Werken der Nächstenliebe und Gerechtigkeit zur Ehre Gottes zu engagieren. Damals war es allgemeine Überzeugung, dass das Leben und Handeln von Frauen bedeutungslos war. Mary brauchte großen Mut, um für die Achtung der Rechte von Menschen zu kämpfen, unabhängig von deren intellektuellen Fähigkeiten, emotionalen, sozialen oder körperlichen und geschlechtsspezifischen Unterschieden. Woher nahm sie diesen Mut? Natürlich aus ihrem Glauben – aber wir müssen ebenso die Tatsache betonen, dass die Wurzeln ihres Mutes auch in ihrem familiären Hintergrund zu sehen sind. Es ist bekannt, dass die Familie Ward verachtete Menschen schützte, wenn sie katholischen Priestern Unterschlupf gewährte, die den Glauben in England am Leben erhielten. Mary stammte aus einer Familie mit mutigen und großherzigen Frauen: Ihre Großmutter mütterlicherseits, Ursula Wright, verbrachte vierzehn Jahre hintereinander wegen ihres Glaubens im Gefängnis.

Mary Ward konnte sich an die Zeit erinnern, als Ursula den katholischen Gefangenen heimlich Geld und Nahrung zur Verfügung stellte. Sie und andere Frauen brachten den sozialen Wandel voran für all die, die Respekt, Solidarität und Ermächtigung brauchten. Mary Ward selbst engagierte sich für die Bildung von Mädchen aus allen Gesellschaftsschichten.

Ihre ‚avodah‘ führte sie zu den Verachteten ihrer Zeit und dazu, „das Gleiche von der Gesellschaft“ (den Jesuiten) zu nehmen. Marys Sendung war zweifellos eine radikale Herausforderung für ihre Zeit. Sie selbst erlebte sich als verachtet mit den Verachteten, als ausgegrenzt mit den Ausgegrenzten. Mary Ward erfuhr verbale Verachtung – wenn sie und ihre Gefährtinnen „galoppierende Mädchen“ genannt wurden‚ ein unangemessener sexueller Kommentar, der ihren Ruf verletzte. Sogar die päpstliche Aufhebungsbulle vom 13. Januar 1631 von Papst Urban VIII verwendete harsche und verächtliche Worte, mit denen Mary Wards Institut  niedergezwungen wurde. Sie bezeichnet es als gefährliches Gift, das es zu vernichten galt: „….Arbeiten, die dem Geschlecht und der geistigen Schwäche, der fraulichen Bescheidenheit und besonders der jungfräulichen Schamhaftigkeit nicht im geringsten angemessen sind…“ So wurden diese Frauen verurteilt, einfach deshalb, weil sie Frauen waren und daher von geringerer intellektueller Kapazität…

„Leben, sterben und mit ihnen auferstehen“. Verachtet, ausgegrenzt wie sie war, schaute Mary der Verurteilung mutig entgegen. Als die päpstliche Bulle zur Inhaftierung führte, nahm sie das tapfer an. Voll Vertrauen bat sie ihre Freundinnen in ihren Zitronensaftbriefen, mit „heiterem Gemüt“ ihren Weg weiterzugehen. Im Angesicht ihrer Tyrannen begegnete sie weiterhin der Liebe Gottes, besonders in Zeiten von Qual und Verfolgung. Sie machte den entscheidenden Unterschied! Auf Verurteilung und Hass reagierte sie mit heiterer Liebe als diejenige, die Frieden und Respekt fördert. Mary Ward lebte ihre Hingabe bis zum Sterben, in dem sie in Liebe aufersteht mit allen Verachteten und mit dem „verachteten Jesus“.

Mary Wards ‚avodah‘ ist die ‚avodah‘ all derer, die sich dem Volk Gottes verpflichtet wissen, und die der Zeit innewohnenden Ungerechtigkeiten erkennen. Unser mitfühlendes Engagement in Werken der Nächstenliebe und Gerechtigkeit in unserem eigenen Leben, in unseren Familien, lokal und global, erlaubt es uns, die göttliche Liebe zu und mit den Verachteten aller Zeiten zu bezeugen. Sei du der Unterschied dort, wo wir sind! Lebe den entscheidenden Unterschied in jeder Art deines Dienstes an der Welt und dem Rest der Menschheit.

Mary Wards ‚avodah‘ ist eine ‚avodah‘ für alle ihre Freunde, Ordensleute wie Laien, nicht am Ufer stehen zu bleiben, sondern hinauszufahren, wo es tief ist (Lk 5,4). Glauben wir an unsere Berufung zur Sendung. Gehen wir zu den äußersten Rändern und über Grenzen hinaus… Lasst unsere Herzen neue Horizonte entdecken und erreichen, indem wir lieben und ausdauernd den Tyrannen unserer Zeit trotzen, denn „es ist unmöglich, Gott zu lieben und sich nicht zu bemühen, seine Ehre auszubreiten“.

Im Schulhof des Loreto-Colleges Port-Louis, Mauritius, haben wir ein Spiel „Himmel und Hölle von Mary Ward“. Es zeigt das Leben unserer Gründerin. Eines der Kästchen enthält offene Kreise mit einem Fragezeichen: Strecken wir uns aus nach denen am Rande, nach den Ausgegrenzten? Der gleiche Anruf ist heute an uns gerichtet.

Francesca Salva – Friends of Mary Ward, Mauritius

 

 

Carla Bellone